Die aus Gründen des Infektionsschutzes nicht gehaltene Haushaltsrede von Bündnis 90/Die Grünen im Landkreis Landsberg

Ungewöhnliche Umstände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen:

Wir hätten unsere Haushaltsrede gerne in Präsenz gehalten, leider hat der Landrat gegen
eine 4-wöchige Termin-Verschiebung der Sitzung auf den Januar nach dem bundesweiten
Lockdown entschieden. Aus Gründen des Infektionsschutzes bleiben wir der Sitzung fern und
verbreiten unsere Haushaltsrede diesmal nur virtuell.

Nachdem der gut begründete Antrag von Dr. Holger Kramer, die Kreisumlage auf 48% abzusenken, vom Finanz- und Kreisausschuss mehrheitlich abgelehnt wurde, lautet der Empfehlungsbeschluss der Verwaltung auf 51%. Dies lehnen wir Grüne ab, wir fordern seit Jahren
eine faire Lastenverteilung und eine Begrenzung der Kreisumlage auf max. 50%.

Begründung:

  • Die Stadt Landsberg und alle 30 Gemeinden müssen gerade im Jahr 2021 coronabedingt
    mit massiven Einbrüchen bei der Gewerbesteuer- und der Einkommens- und Umsatzsteuerbeteiligung rechnen. Das ist in der leider nur rückwirkenden Betrachtung der Finanzkraft der Gemeinden nicht beinhaltet. Der Landkreis nimmt nächstes Jahr bei 51%
    durch die Erhöhung der Umlagekraft 4,7 Mio € mehr ein als im Jahr 2020.
  • Gleichzeitig wird die Kreisumlage – 2 Jahre zeitversetzt – auf der Basis des vergangenen
    Jahres berechnet. Damit zahlen alle Landkreisgemeinden einen überproportional hohen
    Beitrag an Kreisumlage an den Landkreis und werden so in ihrer eigenen Liquidität beschnitten. Die 4,7 Mio fehlen dort vor Ort für Investitionen und Aufgaben der Daseinsvorsorge
  • Rechte Tasche – linke Tasche könnte man meinen, es sind ja alles rentierliche Schulden,
    wir investieren als Landkreis ja für alle BürgerInnen. Das stimmt zwar prinzipiell, allerdings nimmt sich der Landkreis seit vielen Jahren zu viel vor an Investitionen. Viele Baumaßnahmen können nicht wie geplant begonnen werden, sondern verzögern sich zum
    Teil um mehrere Jahre. Trotzdem planen wir munter immer weiter, obwohl allen Beteiligten klar ist, dass die Summe der Investitionsvorhaben weder organisatorisch, noch
    personell gestemmt werden können.
  • Auch für nächstes Jahr sind Maßnahmen eingeplant, die realistisch nicht in 2021 umgesetzt werden können. Nach fundierten Aussagen der Stadt Landsberg wird der Neubau
    der Außenstelle – oder sollen wir lieber sagen des Landratsamtes – frühestens 2022 starten können. Das Bauleitverfahren kann erst nach Abschluss des Realisierungswettbewerbes starten, d.h. frühestens im Herbst 2021. Wieder besseren Wissen sind dafür 1,6 Mio
    € nächstes Jahr eingeplant, was rund 1% der Kreisumlage bedeutet. So können wir diese
    problemlos auf 50% senken. Felix Bredschneijder von der SPD hat dies dankenswerterweise moniert, leider vergeblich. Und das ist nur ein Beispiel…
  • Das Ergebnis ist aktuell ein Endbestand an liquiden Mittel in Höhe von rund 70 Mio € auf
    den Konten des Landkreises. Für diesen „ungebührlich“ hohen Kontostand zahlt der
    Landkreis (und damit alle Bürgerinnen und Bürger) in diesem Jahr ganz nebenbei bemerkt 250.000 € Negativzinsen an die Banken.
  • Trotz des hohen Bestands an liquiden Mitteln laufen wir aufgrund der hohen, in unterschiedlichen Bereichen geplanten Bauinvestitionen, auf eine Verschuldung von weit über
    100 Mio € bis 2024 zu. Damit wären wir unter den bayerischen Landkreisen mit der
    höchsten Pro-Kopf-Verschuldung einer der absoluten Spitzenreiter. Einige Kolleginnen
    und Kollegen sehen das völlig entspannt, wir hätten ja historisch niedrige Zinsen. Doch
    auch Landkreis-Schulden müssen getilgt werden. So wie sich das aktuell politisch darstellt, müssen das unsere Kinder und Enkel tun, wir schaffen das nicht mehr!
  • Als Grüne Fraktion erkennen wir auch viele positive Aspekte im Haushalt. Wie z.B. das ITTeam für unsere Schulen, die Investitionen in Seniorenheime, in die Klinik und ja, auch
    der Neubau einer Außenstelle des LRA ist notwendig – das Penzinger Feld ist zwar nicht
    unser Wunschstandort, aber eine Erweiterung ist mehr als notwendig. Über Größe, Belegung, Verkehrsanbindung, Öko-Standards und Ausführung in Holzbau, aber vor allem
    über das finanzielle Volumen werden und müssen wir sicher noch lebhaft in den Gremien
    diskutieren.
  • Trotz der durchaus positiven Aspekte lehnen wir den Haushalt aus o.g. Gründen insgesamt jedoch ab. Die mittelfristige Finanzplanung bis 2024 bildet viel mehr ein politisches
    Wunschkonzert ab und hat in unseren Augen in der Kürze dieses Zeitfenster keine Chance auf Realisierung. (60 Mio € in die Schulen, 43 Mio € für den Neubau LRA, 36 Mio € für
    die Seniorenheime u.v.m.). Für viele Vorhaben fehlen die Projektbeschlüsse und damit
    der bestätigte politische Wille, der jedoch Grundlage für die Finanzplanung sein sollte.
  • Wir brauchen in Zukunft mehr Offenheit und den Mut, gemeinsam kritisch abzuwägen,
    realistisch zu priorisieren und dann zuversichtlich und zielgerichtet für unsere BürgerInnen zu investieren – ohne dass uns die Schulden über den Kopf wachsen. Dabei können
    Sie auch in Zukunft auf uns zählen!
  1. Dezember 2020
    Renate Standfest und Dr. Peter Friedl
    für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Landkreis Landsberg