Bürgerbegehren – Stopp Neubau Landratsamt

Am heutigen Tag tritt der Kreisausschuss zu einer Sitzung zusammen, deren Tagesordnung sich auf wenige, aber durchaus bedeutsame Punkte beschränkt. Im Fokus steht unter anderem die Behandlung von Fragen rund um das aktuelle Bürgerbegehren zum Stopp des Neu- bzw. Erweiterungsbau Landratsamt Landsberg.

Es sind einige Punkte in der Tagesordnung und dem entsprechenden Sachvortrag aufgelistet, darunter der Ausschluss von Kreisrat Martin Erdmann (Grüne) bei der Abstimmung über das Bürgerbegehren. Als Grund hierfür wird angegeben, dass eine persönliche Befangenheit vorliegen könnte, da dieser Sprecher der Bürgerinitiative des Begehrens ist. Auch wenn im Kreisausschuss noch nicht darüber abgestimmt wird, sondern erst der Kreistag in der anschließenden Sitzung, hakt Alexander Herrmann (Grüne) an dieser Stelle nach, und möchte eine genauere Erklärung. – Die Verwaltung verweist auf ein in den Kommunen gängiges Verfahren in solchen Situationen. Hier könnten Eigeninteressen mit den notwendigen Abstimmungen auch in Bezug auf das Ratsbegehrens konkurrieren.

Renate Standfest (Grüne) möchte wissen, ob dann auch der Herr Landrat bei der Abstimmung zum Ratsbegehren ausgeschlossen sei. – Hier entgegnet die Verwaltung, dass dies nicht möglich sei, da der Kreistag und auch der Landrat ja über das Begehren entscheiden müssen, sonst könne man ja überhaupt keine Entscheidung treffen.

Als Nächstes wird über die Fragestellung das Bürgerbegehrens beraten. Aktuell lautet es: „Sind Sie dafür, den Neu- bzw. Erweiterungsbau des Landratsamtes am Penzinger Feld zu stoppen?“ Dies sei in dieser Form zulässig, da sie eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises betreffe.

Für die Zulassung waren mindestens 4.797 gültige Unterschriften nötig, basierend auf den 95.945 wahlberechtigten Kreisbürgern. Am Ende wurden 9.712 gültige Unterschriften eingereicht. Damit erfülle das Bürgerbegehren alle gesetzlichen Voraussetzungen. Auch eine sachliche Ergänzung der Fragestellung wird einstimmig befürwortet, sodass die endgültige Frage nun lautet: „Sind Sie dafür, den Neu- bzw. Erweiterungsbau, der als Lechkiesel bezeichnet wird, mit Baukosten von ca. 120 Mio. Euro am Penzinger Feld zu stoppen?“

Der nächste Punkt umfasst die Empfehlung für ein Ratsbegehren. Der Kreistag kann beschließen, ein solches Ratsbegehren zu initiieren. Dieses würde gleichzeitig zum Bürgerbegehren als eigenständiger Bürgerentscheid durchgeführt werden. Im Abstimmungsverfahren würde das Ratsbegehren als Bürgerentscheid 1 und das Bürgerbegehren als Bürgerentscheid 2 bezeichnet. Der Vorschlag der Verwaltung lautet: „Sind Sie dafür, dass der Landkreis Landsberg am Lech ein zentrales Dienstleistungsgebäude am Penzinger Feld in Landsberg realisiert, um 13 angemietete Außenstellen mit jährlichen Mietkosten von ca. 1,2 Mio. € zusammen zu fassen und die Zulassungsstelle dort unterzubringen?“

Dieser Vorschlag löst in Folge eine lange und kontroverse Diskussion aus. Z.B. Alexander Herrmann (Grüne) erachtet die Frage als nicht eindeutig und befürchtet, dass diese die Angelegenheit verkompliziere.

Renate Standfest (Grüne) weist darauf hin, dass die Beantwortung beider Fragen mit „Ja“ sich nicht widerspreche und grundsätzlich nicht ausschließe. Außerdem kritisiert sie die unterschiedlichen Begrifflichkeiten, die von der Verwaltung ins Spiel gebracht werden. In der ursprünglichen Planung war davon die Rede, die Außenstellen zusammenzufassen. Dann wurde draus ein Erweiterungsbau, schließlich ein Neubau und nun sei von einem Bürgeramt und einem Dienstleistungsgebäude die Rede. Auch sie halte das in Zusammenhang mit der uneindeutigen Fragestellung für schwer zu durchschauen. Sie wies des Weiteren darauf hin, dass es höchstrichterliche Entscheidungen geben, die bei Ratsbegehren explizit verwirrende oder irreführende Formulierungen untersagen.

Die Verwaltung entgegnet, dass die Fragestellung von der Regierung von Oberbayern juristisch geprüft und akzeptiert worden sei. Man schließe sich hier dieser Rechtsauffassung an. Schließlich empfiehlt der Kreisausschuss das Ratsbegehren mit 7:6 Stimmen.

Es folgt nun die Klärung der sogenannten Stichfrage: Bei mehreren Bürgerentscheiden an einem Tag muss der Kreistag eine Stichfrage beschließen, falls die Ergebnisse unvereinbar sind. Die standardisierte Fragestellung in Bayern lautet: „Welche Entscheidung soll gelten, wenn die Fragen von Bürgerentscheid 1 und 2 widersprüchlich beantwortet werden?“ Auch hier folgt eine längere Diskussion, denn einige im Plenum sehen keinen Widerspruch in den beiden Begehren und können daher der Formulierung der Stichfrage nicht zustimmen. U.a. Renate Standfest (Grüne) weist erneut darauf hin, dass sich der Stopp des Lechkiesels nicht mit dem Bau eines Verwaltungsgebäudes widerspricht wie im Ratsbegehren postuliert.

Die Verwaltung sieht hier jedoch keinen Widerspruch. Der Kreisausschuss beschließt die Empfehlung mit 7:6 Stimmen. Auch die Gestaltung des Stimmzettels wird mit gleicher knapper Mehrheit zur Vorlage im Kreistag beschlossen. Über den Termin der Abstimmung herrscht jedoch Einigkeit: Man möchte ihn mit dem voraussichtlichen Datum der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 zusammenlegen.

Kreistagssitzung im Anschluss

Gleich im Anschluss der Kreisausschusssitzung folgt eine außerordentliche Kreistagssitzung, in der sich das Gremium mit dem Bürgerbegehren befassen muss. Doch zunächst steht der Antrag der Fraktionen von ÖDP/DIE PARTEI, SPD und B90/DIE GRÜNEN zur Abstimmung. Darin wird der sofortige Stopp der Neubauplanungen für das Landratsamt sowie die Einstellung laufender Ausschreibungen gefordert wie es das Bürgerbegehren vorsieht.

Die Antragsteller*innen begründen dies mit dem starken Rückhalt in der Bevölkerung: Über 10.000 Unterschriften wurden in nur vier Wochen gesammelt. Weitere Argumente seien die drastische Kostensteigerung des Projekts von ursprünglich 29 Mio. Euro auf 120 Mio. Euro, die hohe Verschuldung des Landkreises und die daraus resultierenden Belastungen für Gemeinden und Bürger. Sollte der Kreistag dem Anliegen zustimmen, könnte ein Bürgerentscheid entfallen, was zusätzliche Kosten vermeiden würde.

Dieser Antrag wurde bereits in einem vorherigen Kreisausschuss Anfang November behandelt. Als Ergebnis wird jedoch die Ablehnung empfohlen. Dies sorgt nun kurzzeitig für Verwirrung, wie denn die Kreisrät*innen zu stimmen haben, wenn sie für oder gegen die Übernahme des Bürgerbegehrens sind. Am Ende wird jedoch auch in diesem Gremium das Vorhaben mit einer Mehrheit von 30:23 Stimmen abgelehnt.

Die Abfolge der Tagesordnungspunkte verläuft nun analog zu der im vorherigen Kreisausschuss. Nur wird zu Beginn der Kreisrat Martin Erdmann, der gleichzeitig die Bürgerinitiative mit ihrem Bürgerbegehren vertritt, mit einer deutlichen Stimmenmehrheit des Kreistages aus den Beratungen und den Abstimmungen über das Bürger- und Ratsbegehren ausgeschlossen. Grund hierfür seien Bedenken wegen einer möglichen persönlichen Befangenheit.

Das Bürgerbegehren und die neuen Ergänzungen im Wortlaut werden einstimmig angenommen, wie bereits vom vorherigen Ausschuss empfohlen. Jedoch beim Ratsbegehren öffnet sich die Debatte erneut. Nicht wenige Stimmen aus dem Plenum sehen dieses als unzulässig an, da sich die beiden Begehren sogar ergänzen könnten. Auch dürfen die Bürger*innen nicht über die inneren Angelegenheiten, wo z.B. die Zulassungsstelle untergebracht werde, entscheiden.

Die Verwaltung entgegnet, dass sie die Fragestellungen nicht widersprechen müssen, aber durchaus können. Die Erwähnung der Zulassungsstelle sei jedoch nur eine Begründung.

U.a. Renate Standfest (Grüne) weist erneut darauf hin, dass mit dem Ratsbegehren die Komplexität zunehme, so können die Bürger*innen durchaus für beide Begehren sein. Außerdem sei eine wie auch immer geartete Erweiterung des Landratsamts seit nun mehr mindestens zehn Jahren im Gespräch und die Verwaltung habe es schlichtweg versäumt, brauchbare Vorschläge zu machen. Sie halte das Ratsbegehren für Stimmenfängerei, es sei manipulativ und verwirrend. Sie zitiert im Anschluss aus einer höchstrichterlichen Entscheidung, nach der bei einem Ratsbegehren besonders darauf geachtet werden müsse, dass keine Irreführung stattfinde.

Die Verwaltung sieht hier keine Irreführung und verweist auf die Regierung von Oberbayern, die den Sachverhalt juristisch geprüft habe.

Gabi Triebel (Grüne) appelliert im Laufe der Debatte an ihre Kolleg*innen, nicht für das Ratsbegehren zu stimmen, sondern genau wie damals Ministerpräsident Söder das Volksbegehren zur Rettung der Bienen direkt übernommen habe, an dieser Stelle Einsicht zu zeigen. Dieses Begehren sei nicht notwendig. Auch Moritz Hartmann (Grüne) weist darauf hin, dass die Fragen nicht eindeutig seien und sich mit der Begründung vermischen. Er erachte das Ratsbegehren ebenfalls als unnötig.

Am Ende einer langen Debatte stimmt der Kreistag mit 29:25 Stimmen für das Ratsbegehren.

Auch die Beratung über die Stichfrage verläuft ähnlich konfus. Dabei steht oft die Problematik im Vordergrund, dass laut Ansicht vieler Redner*innen kein Widerspruch in den beiden Begehren zu finden sei und sie sich sogar sinnvoll ergänzen können – was die Stichfrage überflüssig mache. Es herrscht des Weiteren große Unsicherheit und bis zum Ende teilweise Unklarheit darüber, in welcher Kombination der Stimmzettel ausgefüllt werden könne und was dies genau zur Folge hätte und für welchen Fall die Stichfrage maßgeblich wäre. In dieser langen Debatte versucht die Verwaltung die Unsicherheiten auszuräumen, jedoch gelingt ihr dies kaum. Am Ende bleibt das Statement, dass man sich der Rechtsauffassung der Regierung von Oberbayern anschließe und die Stichfrage in dieser Form für angemessen halte. Auch in diesem Punkt, sowie in der folgenden Gestaltung des Stimmzettels setzt sich der Vorschlag der Verwaltung mit knappen Mehrheiten durch.

Zuletzt herrscht dann doch noch Einigkeit beim Termin zur Abstimmung: Man möchte ihn mit dem voraussichtlichen Datum der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 zusammenlegen.

Kommentar v. Kilian Fitzpatrick (Kreisrat): In dieser Legislatur wurde selten so lange und so kontrovers diskutiert. Das Thema Neubau Landratsamt ist umstritten. Doch diese Debatte war keine Sternstunde für die Verwaltung. Einerseits sagte diese, man traue den Bürger*innen zu, sich selbst ein Bild zu machen, andererseits war alleine die Fragestellung des Ratsbegehrens und der Stichfrage offenbar so komplex, dass viele Kreisrät*innen diese schlichtweg bis zuletzt nicht verstanden haben. – Dabei hätte man jetzt die Chance gehabt, die Leute im Landkreis eindeutig und einfach zu befragen, ob sie den Lechkiesel haben wollen oder nicht. Stattdessen wird einer schwammigen zweiten Option als Ratsbegehren zugestimmt. Sinn und Zweck dieser Fragestellung erschließt sich mir leider immer noch nicht und hilft wohl in der Sache nicht weiter. Eigentlich soll das Bürgerbegehren Klarheit schaffen, so droht es allerdings weiter ein Politikum zu bleiben.